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Die Zurechnungsfrage bei unlauterer Mitarbeiterabwerbung bei Unternehmen gem. § 8 Abs. 2 UWG

Unternehmen gem. § 8 Abs. 2 UWG.

Kann ein Unternehmen dafür haftbar gemacht werden, wenn seine Mitarbeiter versuchen, auf unlautere Weise Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens anzuwerben?
Aus dieser Überlegung ergeben sich folgende Fragen: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Abwerbung als unlauter gilt, und welche Folgen hat dies für den Geschäftsführer?

Im vorliegenden Fall hatten Mitarbeiter eines Unternehmens immer wieder versucht, Mitarbeiter vom konkurrierenden Unternehmen abzuwerben. Dies ist nicht per se verboten, da die Erweiterung des eigenen Mitarbeiterstamms und die damit einhergehende Förderung des eigenen Unternehmens gerade Ausdruck eines zulässigen Wettbewerbs am Markt darstellt.

Im vorliegenden Fall hatten Mitarbeiter eines Unternehmens immer wieder versucht, Mitarbeiter vom konkurrierenden Unternehmen abzuwerben. Dies ist nicht per se verboten, da die Erweiterung des eigenen Mitarbeiterstamms und die damit einhergehende Förderung des eigenen Unternehmens gerade Ausdruck eines zulässigen Wettbewerbs am Markt darstellt.

Allerdings besteht bei der Mitarbeiterabwerbung stets die Gefahr, die Grenzen des lauteren Wettbewerbs zu überschreiten, indem ein unlauterer Zweck der Abwerbung verfolgt oder sich unlauterer Methoden der Abwerbung bedient wird.

1. Konkretes Mitbewerberverhältnis der Unternehmen
Ausgangspunkt der Frage, ob ein unlauteres Verhalten bei Unternehmen im Sinne des UWG vorliegt, hängt zunächst stets vom Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 6 UWG ab. Erforderlich ist hierfür ein sog. “vergleichbares Leistungsprofil”, welches beide Unternehmen aufweisen müssen. Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung lässt sich sagen, dass regelmäßig solche Unternehmer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben. Die Waren müssen sich ihrer Art nach so nahe stehen, dass sie aus der Sicht des Nachfragers als austauschbar retrospektive substituierbar erscheinen. Wichtiges Indiz dafür ist es, wenn die Unternehmer derselben Branche angehören. Ob Waren oder Dienstleistungen untereinander als austauschbar anzusehen sind, ist aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die Eigenschaften und Zweckbestimmung der Waren und Dienstleistungen nach einem großzügigen Maßstab zu beurteilen. Der EuGH lässt bereits genügen, dass die angebotenen Waren untereinander „in allgemeiner Weise einen gewissen Grad“ an Substituierbarkeit aufweisen (vgl. EuGH GRUR 2007, 511 Rn. 47.). Ausreichend ist schon, wenn sich der Kundenkreis und das Angebot der Waren oder Dienstleistungen teilweise decken. (BGH GRUR 2007, 1079 Rn. 22 – Bundesdruckerei; BGH GRUR 1990, 375/377 – Steuersparmodell.) Unternehmen stehen insbesondere in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, wenn sie untereinander als Anbieter oder Nachfrager von gleichartigen Waren oder Dienstleistungen um die gleichen Kunden- oder Lieferantenkreise mit der Folge konkurrieren, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann. (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2005, 520 [521] = NJW 2005; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 19 – Im Immobiliensumpf; BGH GRUR 2014, 1114 Rn. 24 – nickelfrei). Im Übrigen soll es bei Abwerbungsfragen nicht erforderlich sein, dass die beteiligten Unternehmen bei der Abwerbung durch Dritte unmittelbar miteinander konkurrieren; zur Begründung des gem. § 4 UWG erforderlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den beteiligten Unternehmen genügt vielmehr der Wettbewerb in der Nachfrage nach Arbeitskraft.

2. Geschäftliche Handlung
Soll geklärt werden, ob der Mitarbeiter eines Unternehmens unlauter abgeworben hat, so muss sein Verhalten eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellen. Das Verhalten muss mit der Förderung des Absatzes objektiv im Zusammenhang stehen. Hinter der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG verbirgt sich im Kern die alte Definition der Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004, die jede Handlung einer Person mit dem Ziel der Absatzförderung umfasste. Es wird danach auch jedes Verhalten erfasst, dass mit der Förderung von Dienstleistungen oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Findet z.B. zwischen einem Geschäftsführer und seinen Mitarbeitern Gespräche darüber statt, wie der Bedarf nach weiterem Personal gedeckt werden kann, um beispielsweise weitere Aufträge annehmen zu können, dann kann dies je nachdem was genau bei diesen Gesprächen besprochen wurde, bereits ausreichend sein, um den Nachweis erbringen zu können, dass diese Gespräche im Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes standen. Die Mitarbeiter, die darauf hin tätig wurden und Abwerbungsversuche in Angriff nahmen, nahmen dann auch eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor, da diese dazu dienen sollten, ihrem Arbeitgeber bei der Förderung des Absatzes zu verhelfen, indem mehr qualifiziertes Personal zum Unternehmen abwandern sollte.

3. Unlauteres Abwerben
Das Abwerben von Mitarbeitern ist grundsätzlich nicht unlauter. Damit ein Abwerben als unlauter zu qualifizieren ist, muss ein Verstoß gegen die §§ 3 oder 7 UWG gegeben sein. Insbesondere ergibt sich eine Unlauterkeit des Abwerbens durch einen unlauteren Zweck der Abwerbung, der etwa vorliegt, wenn das Abwerben vordergründig darauf abzielen soll, das andere Unternehmen am Markt signifikant zu schwächen oder zu verdrängen, sog. Verdrängungsabsicht; oder sich unlauterer Mittel oder Methoden bedient wird. Unlautere Methoden der Mitarbeiterabwerbung sind beispielsweise das persönliche Erscheinen am Arbeitsplatz (BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177 „Direktansprache am Arbeitsplatz III“) oder die telefonische Kontaktaufnahme, die über die von der Rechtsprechung festgelegten zulässigen engen Grenzen, insbesondere das vorherige Einholen einer Einwilligung des Kontaktierten hinausgeht. Im Streitfall muss der Beklagte nachweisen, dass eine solche Einwilligung vorgelegen hat. Auch das Anschreiben über Chat oder Private Message ist eine Kontaktaufnahme auf „dem elektronischen Postweg” iSv § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und daher nur mit vorheriger Einwilligung des Kontaktierten wettbewerbskonform.

4. Zurechnung gem. § 8 Abs. 2 UWG
Nun kommt man zur interessanten Frage der Zurechnung gem. § 8 Abs. 2 UWG, wenn z.B. der Geschäftsführer nicht selbst handelt, sondern Mitarbeiter des Unternehmens versuchen beim Konkurrenzunternehmen qualifiziertes Personal gezielt – unlauter – abzuwerben. Mitarbeiter ist, wer auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet ist, als Arbeitnehmer (Angestellter, Arbeiter, Auszubildender, Vertreter, Praktikant u.ä.) für den Unternehmensinhaber weisungsabhängig tätig zu sein. Die Rechtsprechung knüpft die Haftung des Betriebsinhabers an die Voraussetzung, dass das Verhalten innerhalb des Betriebsorganismus begangen worden ist und dass der Handelnde (hier die Mitarbeiter) kraft Rechtsverhältnisses in diesen Organismus dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlungen zumindest auch dem Betriebsinhaber zu Gute kommt und andererseits der Betriebsinhaber ein bestimmter Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt, sog. Unternehmensbezogenheit. (BGH, Urt. v. 5.4.1995, I ZR 133/93, GRUR 1995, 605 – Franchise-Nehmer). Der Unternehmer kann sich auch nicht mit der Behauptung entlasten, er habe von der Zuwiderhandlung nichts gewusst oder sie missbilligt (BGH NJOZ 13, 863 Rn 9; BGH GRUR 09, 1167 Rn 21 – Partnerprogramm; OLG Köln MMR 06, 622, 624). Ausweislich des BGH kommt es bei der Einflussnahme des Geschäftsführers nämlich nicht darauf an, welchen Einfluss er sich gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste (vgl. BGHZ 28, 1, 123 – Buchgemeinschaft II). Ein Geschäftsführer kann sich folglich nicht damit entlasten, dass er sich darauf beruft, keine Kenntnis von den Abwerbungsversuchen seiner Mitarbeiter gehabt zu haben. Er konnte und hätte Einfluss darauf nehmen müssen, seine Mitarbeiter beispielsweise darüber aufzuklären, dass ein Abwerben mittels unlauterer Methoden unzulässig ist.

5. Weiteres Vorgehen
Sollte sich ein solcher Verstoß feststellen, steht den Betroffenen ein sog. Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG zu, der im Wege einer Abmahnung oder sogar durch eine gerichtliche Unterlassungsverfügung oder Unterlassungsklage durchgesetzt werden kann. Denkbar sind zudem auch Schadensersatzansprüche gem. § 9 UWG. Ein zügiges Handeln ist hier geboten, zögern Sie nicht, denn die Fristen um Ihre Rechte durchzusetzen sind knapp bemessen.