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Höhere Gewalt: die wirksame Formulierung einer Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B

Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B

Bei Langzeitbaustellen kann es häufiger vorkommen, dass der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung seiner Leistung behindert wird und dementsprechend mehr Zeit benötigt, um das Bauvorhaben fertigstellen zu können.

Es kann folglich vorkommen, dass die im Bauvertrag angegebene Frist zur Fertigstellung für den Auftragnehmer nicht länger einhaltbar ist. Um nicht in Verzug zu geraten, ist es u.a für Auftragnehmer möglich sich auf § 6 VOB/B zu stützen. Hiernach können Ausführungsfristen verlängert werden, soweit seitens des Auftragnehmers gemäß § 6 Abs.1 S.1 VOB/B eine schriftliche und unverzügliche Behinderungsanzeige gegenüber dem Auftraggeber formuliert wurde.

Unterlässt ein Auftragnehmer die Anzeige der Behinderung, so ist gemäß § 6 Abs.1 S.2 VOB/B eine Berücksichtigung der hindernden Umstände nur noch unter der Voraussetzung möglich, dass die Störungen und Folgen dem Auftraggeber offenkundig waren. Sind Behinderungen und deren resultierende negative zeitlichen oder finanziellen Folgen auf Auftraggeberseite zurückzuführen, so ist der Auftragnehmer berechtigt, sowohl eine Verlängerung der Ausführungsfristen zu verlangen gemäß § 6 Abs. 2 Nr.1 lit.a, als auch Schadenersatz gemäß § 6 Abs. 6 S.1 VOB/B.

Sind die Behinderungen und deren Auswirkungen auf keine der Vertragsparteien zurückzuführen, dann bleibt ebenfalls nach § 6 Abs. 2 S.1 lit.b, lit.c eine Verlängerung der Ausführungsfristen möglich.

Die Möglichkeit einer Fristverlängerung im Sinne des § 6 Abs.2 S.1 lit.c ist im letzten Jahr aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Baustellen vermehrt zum Gegenstand von Vertragsstreitigkeiten geworden. In diesem Zusammenhang stellte sich zuerst die Frage, ob die durch Corona-Maßnahmen entstandenen Verzögerungen, als ein Fall der höheren Gewalt zu beurteilen waren. Dies bejahte zunächst das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in einem Erlass vom 23.3.2020: “Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist”.

Welche Voraussetzungen müssen in diesem Fall vom Auftragnehmer berücksichtigt werden, um eine wirksame Behinderungsanzeige zu formulieren?
Laut Erlass vom 23.03.2020 können die strengen Voraussetzungen des § 6 Abs.2 S.1 lit.c VOB/B auch im durch die Pandemie geschaffenen Ausnahmezustand nicht pauschal angenommen werden, sondern sind vielmehr im Einzelfall nachzuweisen. Somit muss der Auftragnehmer, der sich auf die höhere Gewalt berufen möchte, die den Behinderungsgrund begründenden Umstände präzise darlegen und ggf. beweisen. Die Darlegungen des Auftragnehmers müssen zudem: “das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen”. Liegen die Voraussetzungen der höheren Gewalt im Sinne des § 6 Abs. 2 S.1 lit.c VOB/B vor und ist der Auftragnehmer seiner Behinderungsanzeige (gemäss § 6 Abs. 1 S.1 VOB/B) rechtsgemäß nachgekommen, so führt dies zur Verlängerung der Ausführungsfristen um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten gemäß § 6 Abs. 4 VOB/B.