BVerfG 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20 – Klimaschutzgesetz, ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210324.1bvr265618
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat einem Teil der Klagen gegen das Klimaschutzgesetz stattgegeben, weil es zu unbestimmt ist, um die Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen mit dem Schutz von Grundrechten in Einklang zu bringen.
Das Klimaschutzgesetz sollte Deutschland einen Fahrplan zur Erreichung der Klimaziele für 2030 vorgeben: eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55% und die Einhaltung des Pariser Abkommens, wonach ein globaler Temperaturanstieg über 2°C verboten ist. Anschließend übertrug es der Regierung die Aufgabe, ab 2025 per Verordnung Maßnahmen für den Zeitraum ab 2031 zu treffen.
Das Gericht hat die Maßnahmen ab 2030 als zu ungenau geurteilt, um eine ausreichende Vereinbarkeit des Umweltschutzes mit den Grundrechten zu gewährleisten.
Maßnahmen, die auf Klimaneutralität abzielen, schränken zwangsläufig bestimmte Grundrechte ein. Sie müssen daher verhältnismäßig, ausreichend vorhersehbar und vor allem Teil eines transparenten demokratischen Prozesses sein. Diese Anforderungen sind hier nicht ausreichend erfüllt.
Auch die Solidarität zwischen den Generationen muss beachtet werden. Das Klimaschutzgesetz öffnet den Weg für einen zu hohen Einsatz von Emissionsgutschriften bis 2030, so dass die nachfolgenden Generationen nach diesem Datum praktisch keinen Entscheidungsspielraum mehr haben, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft vollziehen zu können, und ihnen ganze Teile ihrer Grundrechte somit entzogen werden.
Insgesamt ist die Entscheidung eine gute Nachricht für den Klimaschutz, da das Gericht die Pflichten Deutschlands in diesem Bereich klarstellt. In dieser Entscheidung wird auch ein Umweltvorsorgeprinzip unterstrichen: Bei ernsthaften wissenschaftlichen Zweifeln an den Umweltauswirkungen einer Maßnahme müssen die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um künftigen Generationen die freie Ausübung ihrer Grundrechte und insbesondere ihre freie Entwicklung in einer nachhaltigen Welt zu gewährleisten.
Über diese dynamische Lesart der Grundrechte hinaus bekräftigte das Gericht den internationalen Charakter dieses Schutzes: Da der Klimawandel ein globales Phänomen ist, hat der deutsche Staat die Pflicht, seine verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt durch sein Handeln zu erfüllen.
Diese Entscheidung ist Teil eines breiteren Trends der Inanspruchnahme von Gerichten, um Klimaziele mangels einer befriedigenden Antwort der Regierungen zu erreichen. Frankreich im Februar 2021 wegen seiner Untätigkeit wurde im Klimabereich vom Verwaltungsgericht Paris als Teil des “ l’affaire du siècle “ verurteilt.
Im März 2019 reichten die Umweltverbände Oxfam France, Notre Affaire à tous, Fondation pour la Nature et l’Homme und Greenpeace France vier Klagen beim Verwaltungsgericht Paris ein, um die Anerkennung des Versagens des französischen Staates bei der Bekämpfung des Klimawandels zu erwirken, seine Verurteilung zu erlangen und zwar nicht nur zum Ausgleich des moralischen Schadens, sondern auch des ökologischen Schadens und um die Versäumnisse des Staates bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen zu beenden.